„Komorka za serbsku drastu – Trachtenstübchen“ ist seit einigen Monaten ein Raum im Dachgeschoss des Jakubetzstifts beschriftet. In dem kleinen Raum befindet sich seit Dezember 2024 ein Trachtenverleih für Wittichenau und Umgebung. Träger ist der sorbische katholische Verein Bratrowstwo e.V. (Brüderlichkeit) . „Wir wollen Liebe, Wertschätzung und Detailwissen zur Tracht weitergeben. Es geht um den ideellen Wert. Gerade die Tracht ist sorbische Identität und Bekenntnis zu den eigenen heimatlichen Wurzeln“, sagen die Initiatorinnen Kristin Belkot und Sonja Rehor.
Die Liebe zur Tracht vorgelebt bekommen
Die Liebe zur Tracht liegt tief in ihren Familiengeschichten. Kristin Belkot aus Hoske (von Beruf Physiotherapeutin) ging als Kind in ihrer damaligen Heimatgemeinde Ralbitz zur Erstkommunion, zu Fronleichnamsfesten und später zur Firmung in Družka-Tracht. „Als Jugendliche trugen wir Mädchen oft in Družka-Tracht die Gottesmutter zur Wallfahrt nach Rosenthal“, erinnert sie sich. Zur Taufe ihrer Nichte und weiterer Patenkinder ging sie in der Tracht der Taufpatin. Drei Menschen prägten ihre Liebe zur Tracht ganz besonders. Anna Hadank in Cunnewitz (ihre Großmutter väterlicherseits) trug noch ganz selbstverständlich mit Stolz die sorbische Alltagstracht. Diese Selbstverständlichkeit und Liebe gab sie der Enkelin gern weiter.
Monika Scholze in Ralbitz (Großmutter mütterlicherseits) trug keine Tracht. Sie war jedoch Ankleidefrau. „Sie nähte bis ins hohe Alter Trachten – vor allem für Wallfahrten, Hochzeiten und Feste“, erzählt Kristin Belkot. „Ihre Nähmaschine stand nie still. Sie war immer in greifbarer Nähe.“ So manchen Handgriff schaute sich die Enkelin ab. Viel verdankt Kristin Belkot zudem ihrer Tante Lena Scholze aus Ralbitz, von der sie zur Hochzeit als sorbische Braut angekleidet wurde. „In den vergangenen Jahrzehnten hat sie mich das detailgetreue Ankleiden unserer verschiedenen katholischen Trachten gelehrt. Zudem war sie mir all die Jahre Impulsgeberin und Motivatorin in der Vertiefung der Kenntnisse rund um unsere Trachten“, erzählt Kristin Belkot. Auf all dem kann sie jetzt für den entstehenden Trachtenverleih in Wittichenau aufbauen.
Trachtenteile selbst gestickt
Mitstreiterin Sonja Rehor aus Sollschwitz ist seit 2010 Vorsitzende des Vereins Bratrowstwo. Bei der Domowina arbeitet sie als Leiterin des Regionalmanagements im Netzwerk ZARI (Netzwerk für sorbische Sprache und regionale Identität). Ihre Großmutter mütterlicherseits, Agnes Krahl in Sollschwitz, ging noch täglich in Tracht. Lange Zeit trug auch Mutter Maria Suchy im Alltag die Tracht. „Die Liebe zur Tracht lebt in unserer Familie ganz selbstverständlich“, erzählt Sonja Rehor. „Dieses Gefühl der Ehre lebt in uns. Stark prägte mich auch mein Vater. Er war ein die sorbische Sprache und Kultur durch und durch liebender Mensch. Dazu gehörte auch die Wertschätzung für die Tracht.“ Heute näht und stickt Sonja Rehor immer wieder Teile für die Tracht. Gern arbeitet sie mit Blaudruck. Kreativ entwickelt sie Teile weiter. „Das bereitet mir Freude. Dann bin ich ganz bei mir“, sagt die Sollschwitzerin.
Eine Vielzahl von Trachtenteilen zum Verleih
Die Idee des Trachtenstübchens entstand im Verein Bratrowstwo schon vor Jahren. Man wollte einen geeigneten Ort zur Aufbewahrung und Verleihung von Trachten finden. Im Jakubetzstift wurde der Verein fündig. Der Verein(t) für Wittichenau überließ den Initiatoren mehrere Schränke. Birgt Bensch vom früheren „Babylädchen“ schenkte ihnen etliche Kleiderbügel und stabile Garderoben-Ständer. Seit Dezember 2024 füllt sich das Trachtenstübchen nun. Schürzen und Röcke, bestickte Seidentücher, Bänder und Schleifen sowie Kittelchen und Jacken von der Arbeitstracht bis zu Festtagstrachten zu jedem Anlass gehören zum Bestand. Interessierte können sie gegen eine Gebühr ausleihen.
Erste Nachfragen zu Kirchenfesten und Privatfeiern
„Viele Kleidungsstücke sind sehr gut erhaltene Zeitzeugnisse“, meint Kristin Belkot. Einen ersten großen Ansturm gab es im April 2025 zur Firmung. Da fragten zum Beispiel Firmpatinnen nach schwarzen Spitzenhauben. Auch zur Erstkommunion 2025 suchten viele Familien nach ergänzenden Teilen für die Družka-Tracht (Brautjungferntracht) oder die Wuslěkana-Tracht (Festtagstracht). Zu Fronleichnam und zum Maibaumwerfen kamen erneut zahlreiche Anfragen. „Es ist schön, dass sich einige ganz bewusst entschieden haben, die Tracht zu tragen. Eben weil sie sich Trachtenteile hier ausleihen können“, freut sich Kristin Belkot. „Das Trachtenstübchen ist ein öffentlicher Ort, der das Ausleihen für Interessenten einfacher macht.“
Anfang August war in Wittichenau eine sorbische Hochzeit. Auch hierfür erwies sich der Trachtenverleih als hilfreich. Weiße Schürzen und bestickte Taillenbänder sowie Trachten für die Družki waren besonders gefragt. „Unsere kleinste Festtagstracht eignet sich bereits für Dreijährige. Der Bestand reicht dann weiter bis zu den Erwachsenen“, erläutert Kristin Belkot. Sie selbst fertigt zu Hause in Hoske immer wieder Trachten neu an oder bessert sie aus. Das erfüllt sie mit Freude und mit Stolz. Fertige Trachten, Stoffe und Geldspenden für das Trachtenstübchen sind jederzeit willkommen. „So können wir neue Teile anfertigen, gebrauchte Teile erneuern und so unser Sortiment erweitern“, erläutern die beiden Initiatorinnen.
Ankleidekurse geplant
Außer dem Verleihen und Aufbewahren geht es um die Vermittlung von Wissen rund um die Tracht. So fand am 3. Juni ein Info-Abend des Netzwerks ZARI im Jakubetzstift statt. „Die sorbische katholische Tracht im Wandel der Zeiten“ hieß das Thema. Wie sah die Tracht früher aus? Wie heißen die Trachtenteile? Gibt es regionale Unterschiede? Damit befasste sich der Vortrag. Er fand regen Zuspruch. „Ab Herbst wollen wir wieder Ankleide-Kurse anbieten“, sagt Kristin Belkot. „Dabei will ich Grundkenntnisse und Bezeichnungen vermitteln. Mir geht es um das detailgetreue Ankleiden. Vertiefende Kurse können dann anknüpfen, zum Beispiel zum Thema Schleifen binden – für Kopf, Taille und Rücken der Frau oder für den Schweif des Osterreiterpferdes.“
Ein Artikel von Andreas Kirschke, freier Journalist.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Kontakt Trachtenstübchen:
Ausleihe und Annahme: Kristin Belkot, Telefon: 0174/3606225
Annahme: Seraphina Paschke, Telefon: 0151/10739044